SPD Bamberg-Altstadt Süd

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SPD-Fraktionsvorsitzender Klaus Stieringer spricht zum Gedenktag an das Kriegsende: „Das Schlimmste ist das Vergessen“

Veröffentlicht am 08.05.2017 in AntiFa/Migration

Hohe Geistlichkeit,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Werte Stadträtinnen und Stadträte,
Liebe Schülerinnen und Schüler,
sehr geehrte Frau Riegelbauer,
liebe Gäste,

wer von Euch hat gestern die Wahlen in Norddeutschland mitverfolgt?
Lasst mich in diesem Zusammenhang etwas zitieren:

„Bei den zurückliegenden Landtagswahlen hatte jüngst eine Partei, deren wesentliche politischen Merkmale Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, die Ablehnung gegen die demokratischen Parteien, die Denunzierung der Medien und die bis zur massiven Gewaltanwendung bereite Radikalität erstmalig den Einzug in den Landtag geschafft. Diese neue Partei, welche die sogenannten besorgten Bürger, die Wutbürgern, die Ewiggestrigen und die Nationalisten vertrat, kam bei der ersten Wahl auf Anhieb auf 6,1% der Stimmen.“

Nein, das ist leider keine Rückblende auf die gestrige Landtagswahl in Schleswig-Hollstein und es ist (hoffentlich) auch keine Prognose für die kommende Landtagswahl in Bayern.

Es ist lediglich ein Zeitungsbericht über die Bayerischen Landtagswahlen von 1928.

Und. Er beschreibt den erstmaligen Einzug der NSDAP in unser Landesparlament.

Damals wie heute waren sich viele Menschen sicher, dass diese neue und junge Partei nur „Eine Randerscheinung, ein vorrübergehendes Phänomen, nichts Dauerhaftes und kurzweiliger Ausdruck einer gesellschaftlichen Stimmung ist“, nicht ahnend was später folgen sollte.

Am heutigen Tage sind 72 Jahre vergangen, seit der totale Krieg des Nazi-Reiches in der totalen Niederlage endete. Nach fast 6 Kriegsjahren schwiegen in Europa endlich die Waffen.

Tiefer als dieser Tag hat wohl kein Ereignis gewirkt – im Erleben derer, die Zeuge dieses Moments waren, wie auch in seinen historischen Konsequenzen.

Die fürchterlichen Folgen des 2. Weltkrieges hat uns Herr Bürgermeister Dr. Lange in seinem Wortbeitrag eindrucksvoll aufgezeigt. Wofür ich mich herzlich bedanke.

Millionen von Tode, Verletzte und Vertriebene. Millionen von grausamen Schicksalen von Menschen, die oftmals nicht älter waren als die Schüler die heute unter uns stehen.

Wir alle kennen die Zahlen des Todes und des Schreckens, wir kennen die Bilder von den Schlachtfeldern und wir haben uns – hoffentlich – ein Bild gemacht von der menschenverachtenden Vernichtungsmaschinerie der Nazis mit ihren Verbrennungsöfen in den heutigen KZ Gedenkstätten.

Trotzdem fällt es vielen von uns immer schwerer sich zu erinnern.

Wir vergessen zunehmend die Bilder von den Schlachtfelder, die Geschichten über das Leid und die Schrecken und – was vielleicht am schlimmsten ist – wir vergessen die Ursachen und die Gründe für diesen grausamen Krieg.

Kriege hatten in der Menschheitsgeschichte viele verschiedene Ursachen.

Jedoch begleitet eine Ursache fast jeden Krieg. Ist Auslöser, Motivation und Begründung. Seine Fratze war, ist und wird immer gegenwärtig sein.  

Es ist der Nationalismus

Der übersteigerte Nationalismus der Deutschen war auch damals mitverantwortlich für den Vernichtungsfeldzug der Wehrmacht gegen die Staatengemeinschaft der Welt.

Hierzu ein Zitat von Alt-Bundespräsident Johannes Rau, worüber es sich vielleicht lohnt, nachzudenken:

"Ich glaube, dass Nationalismus und Separatismus Geschwister sind. Ich will nie ein Nationalist sein, aber ein Patriot wohl. Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt, ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet."

 

Zum Glück ist der Weltkrieg, sind die Kriege, so lange her und so weit weg.

Die meisten der Anwesenden kennen Kriege (zum Glück) nur noch aus dem Fernsehen. Krieg ist es etwas Abstraktes geworden, verkommt zum populären Computerspiel an unseren Bildschirmen.

Wir, die Nachkriegsgeneration, ist in dem festen Bewusstsein aufgewachsen, dass unser System, unsere Demokratie und unser Wertverständnis fester sind als jede Form von Intoleranz, Fanatismus, Nationalismus und menschenverachtenden Faschismus.

Wir wissen, dass sich die Vergangenheit nicht wiederholen kann.

Wir sind humanistisch geprägt, freiheitlich erzogen und wissen als gute Demokraten in einem vereinten Europa, dass jedes Leben gleich wertvoll ist. Das ein Deutscher nicht mehr und nicht weniger wert ist, als jeder andere Mensch auf unserem Planeten.

Natürlich. Das wissen wir. Aber handeln wir auch so?

Verbunden mit dem 8.Mai ist eben nicht nur die Erinnerung an das Ende eines fürchterlichen von Deutschen ausgelösten Krieges, sondern auch die Mahnung an alle nachfolgenden Generationen, dessen Gründe und Ursachen zu kennen, um ihnen kraftvoll und geschlossen begegnen zu können.

Faschismus und Nationalismus haben zu jeder Zeit der Weltgeschichte zu Leid und Krieg geführt.

Und ausgerechnet wir, die in einem modernen und aufgeklärten Europa aufgewachsen sind, scheinen jetzt wieder den Verführungen der Populisten und Heilsversprechungen der Rechten zunehmend zu erliegen.

Lasst uns doch mal einen kurzen Blick über unsere eigenen Grenzen werfen:

Österreich gilt schon seit vielen Jahren als eine Hochburg für rechtsnationale Politik. Die FPÖ  gilt als offener Feind der EU und des Euros. Zudem lehnt sie den Islam in all seinen Facetten ab und forderte erst kürzlich ein Verbot des Korans. Ihr Slogan lautet „Österreich zuerst“.

Ungarn gilt seit Jahren unter Präsident Victor Orban als der braune Fleck Europas. Seit einigen Jahren ist dort die "Bewegung für ein besseres Europa" aktiv. Sie besteht aus ultrakonservativen und strengen rechtsnationalen, die mit ihrem Slogan „Ungarn zuerst“ alle anderen Nationen bewusst ausgrenzen.

In den Niederlanden haben die Rechtspopulisten zuletzt 1/6 aller Stimmen bekommen. Ihr Vorsitzender Geert Wilders  wurde in den vergangenen Jahren zu einem der bekanntesten Gesichter der Rechtspopulisten in Europa. Mit seiner Partei für die Freiheit (PVV) hetzt er seit Jahren gegen den Islam und Europa. Für ihn ist der Koran ein "faschistisches Buch" und seine Antwort auf den Terror in Europa ist die Ausweisung von allen, die keine Niederländer sind.

Polen ist derzeit das einzige Land Europas mit einer offen rechtsradikalen Regierung in Europa. Die Ministerpräsidentin geht seit Jahren – wie der Türkische Präsident - aggressiv gegen Mitarbeiter von Ministerien und Behörden vor und feuerte leitende Staatsdiener, die nicht ihrem politischen Kurs folgen. Sie stellt die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz infrage. Auch hat sich Polen bislang geweigert zugesagte Flüchtlinge aufzunehmen.

In Dänemark steht die Dänische Volkspartei (DF) für „dänische Werte“: Die Rechtspopulisten sind Gegner der Europäischen Union und fordern eine starke Begrenzung der Einwanderung. Seit der letzten Parlamentswahl ist die DF stärkste bürgerliche Kraft vor den Liberalen. Auch sie verwenden den Slogan „Dänemark zuerst“.

In Frankreich hat am gestrigen Tag bei der Stichwahl um das Präsidentenamt der Liberale Macron gegen die Front-National-Kandidatin Le Pen gewonnen. Ein Sieg der Vernunft mit dem faden Beigeschmack, dass fast 35% der Franzosen eine radikale Nationalistin gewählt haben, die sogar noch ihren Vater rechts überholt hat, der bereits mehrfach wegen Anstiftung zum Rassenhass und Leugnung von Nazi-Verbrechen verurteilt wurde.

Diese Liste können wir mit dem „Britain First“ und den starken italienischen Nationalisten mit fast jedem Land Europas, ja fast jedem Land der Welt, weiterspielen. 

Noch sehr gut werden wir uns alle an die zurückliegende Wahl in den Vereinigten Staaten erinnern, bei der ein Donald Trump mit dem Slogan „Amerika First“ die Mehrheit der Menschen begeistern konnte.

Und auch wir Deutschen sind anfällig geworden, wenn es darum geht, uns mit populistischen Wahlversprechungen an die Wahlurnen zu locken.  

Was haben wir also genau aus den Lehren des 2. Weltkrieges gelernt?

Das liebe Gäste ist der Grund, warum wir den 8.Mai niemals vergessen dürfen. Mit seinen Schicksalen, seinen Verbrechen – aber eben auch wegen seiner Mahnung an die zukünftigen Generationen.

Wenn wir etwas aus diesem dunklen Kapitel deutscher Geschichte lernen können, dann ist es doch insbesondere, dass wir nicht mehr einfach so wegsehen dürfen, wenn heute wieder eine unheilige Allianz aus Biedermännern und Brandstiftern Einzüge in Landtage, Stadträte und Kreistage schafft und rechtsradikale Gruppierungen auch hier vor unserer Haustür die Probleme unserer Zeit ausnützen als Nährboden, rechtsradikales Gedankengut ein weiteres Mal hoffähig zu machen.

 

Ja. Wir haben es uns bequem gemacht in unserer Gesellschaft und in unserem Umfeld. Die Humanisten unter uns sind leise geworden, vielleicht auch nur bequem, satt, müde, faul, aber auf jeden Fall unbedeutend.

Viele Menschen beschäftigen sich mehr mit sich selbst, als mit dem was um sie herum passiert. Sie kennen die Facebook und Instagram Einträge ihrer vermeintlichen Freunde besser, als die Ursachen des zweiten Weltkrieges.

Wer mag es den Menschen ernsthaft verübeln wollen, dass sie dieses sichere und bequeme Feld nicht verlassen möchten, kein Interesse daran haben, was außerhalb und innerhalb unserer Gesellschaft passiert.  

Zum Glück gibt es auch heute Menschen, viele Menschen, die sich von den neuen Rechten nicht anstecken lassen, denen Humanismus und Menschenliebe nicht Verpflichtung, sondern Selbstverständlichkeit sind.

Diese Menschen gab es immer und muss es immer geben!

 

Dr. Hans-Jochen Vogel forderte in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag folgende Lehre aus der Geschichte zu ziehen (ich zitiere dem sinnentsprechend frei):

„Die wichtigste Lehre aus dem 2. Weltkrieg sehe ich aber in der Erkenntnis, dass eine Demokratie auf Dauer nur Bestand haben kann,  wenn sie von den Menschen getragen wird; wenn diese sich als Bürgerinnen und Bürger verstehen, die selber für die Bewahrung der demokratischen Grundregeln mit verantwortlich sind.“

Diese Notwendigkeit immer aufs Neue ins Bewusstsein zu rufen und durch das eigene Beispiel zu bezeugen, ist die gemeinsame Aufgabe aller, die in unserer Gesellschaft besondere Verantwortung tragen. Und das nicht nur in der Politik, in der Wirtschaft, in den Medien, sondern auch in unseren Schulklassen, im Sportverein, beim Gespräch mit den Nachbarn und Freunden und nicht zuletzt im eigenen Haus.“ 

 

Gewöhnen wir uns nicht schon wieder an einen Zeitgeist, der uns vor wenigen Jahrzehnten in die größte Katastrophe der Menschheit geführt hat?

 

Ertappen wir uns vielleicht manchmal nicht selbst sogar dabei, wie wir die einseitigen Meldungen in den sozialen Netzwerken, den populistischen Aussagen der neuen Rechten oder den Reaktionen der vermeintlichen Wutbürger mit Sympathien und Verständnis begegnen?

Der Sozialdemokrat August Bebel sagte einmal: „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.“

 

Lassen Sie mich mit einem Satz von Richard von Weizsäcker enden:

„Hitler hat stets damit gearbeitet, Vorurteile, Feindschaften und Hass zu schüren.

Meine Bitte an die jungen Menschen lautet:

Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass

gegen andere Menschen,

gegen Russen oder Amerikaner,

gegen Juden oder Türken,

gegen Alternative oder Konservative,

gegen Schwarz oder Weiß.

Und ich ergänze gerne: Gegen Islamisten oder Flüchtlinge

Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander.“

Dieser Auftrag gilt - auch heute noch – als eine der wichtigen Lehren des 8. Mai über Generationen hinweg.

Er galt für die, die vor uns Verantwortung trugen.

Er gilt für uns, und er wird für die gelten, die nach uns kommen. Und auch in Bamberg wird dieser Auftrag immer gelten.

 

Herzlichen Dank!

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